Die Verschiebung von Objekthafter Kunst zu zeitlich begrenzten Projekten wirkt mindestens auf formaler Ebene bis heute nach. Eine wegweisende Ausstellung dabei war 'Services' von Andrea Fraser und Helmut Draxler.
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SERVICES.
Project Work und die Bedingungen der Kunstproduktion
Pascal Unbehaun, 2008
Heute werden viele künstlerische Vorhaben - ob es nun um das Anfertigen eines Werkes oder das Planen einer Ausstellung geht - als "Projekt" bezeichnet. In den meisten Fällen dürfte damit eine Allerweltsdefinition dieses Begriffes gemeint sein, wie sie aus dem ökonomischen Bereich übernommen worden ist: dort bezeichnet es ein zeitlich begrenztes Vorhaben mit definiertem Ziel, welches in gewisser Hinsicht einmalig ist. Projekt ist, wenn man etwas macht. Wie bei vielen anderen Begriffen verbirgt sich allerdings auch hinter diesem in der Kunst eine speziellere Bedeutung, die eng mit dem künstlerischen Zeitgeist der 90er Jahre verknüpft ist.
Die Begriffe Service Art und Project Work, von denen hier die Rede sein soll, besitzen, wie natürlich alle Kunstformen, -Richtungen und -Theorien keine stringente Definition. Sie klingen gleichzeitig sehr speziell und dennoch höchst allgemein. Ferner haben sie irgendwie miteinander zu tun, sind aber nicht identisch. Fragt man danach, erhält man ausweichende Antworten, konkrete Beispiele sind rar.
Ob, im Gegenteil, Project Work schon wieder historisch ist dürfte dabei sicherlich eine Frage der Flughöhe sein. Für Leute, die seit 20 Jahren fest im Kunst- und vor allem Ausstellungsbetrieb verwurzelt sind (wie z.B. Kuratoren oder Kunstvermittler), wird es wohl tatsächlich so sein. Fragt man hingegen den durchschnittlichen Besucher einer zeitgenössischen Ausstellung, kann man durchaus mit einem "noch nie gehört" rechnen, und selbst Künstler wissen oft nicht viel mehr. In der Tat ist aber die größte Schwierigkeit beim diskutieren dieser Begriffe eine Erklärung dafür zu liefern, warum es überhaupt interessant ist, darüber sprechen: Dieses Interesse ist weniger ein historisches, sondern richtet sich eher auf die Gegenwart und die Zukunft. Diese künstlerischen Arbeitsweisen haben die zeitgenössische Kunst geprägt und wirken fort.
Von der ganzen, sehr theoretischen und wenig 'sinnlichen' Anlage her ist das Thema nicht unbedingt geeignet ein intuitives Interesse beim Publikum zu erzeugen, und doch kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass Project Work ein bestimmendes Moment der Kunst der 90er Jahre gewesen ist und bis in die Gegenwart nachwirkt. Dieser Widerspruch erklärt sich unter anderem dadurch, daß Projekte und Services keine Kunstform im eigentlichen Sinne sind, ebensowenig handelt es sich dabei um eine Theorie. Eine Kunstrichtung, die keine Kunstrichtung sein will, bringt natürlich gewisse Verständnisschwierigkeiten mit sich, ist und war aber im Zusammenhang mit den durch die Poststrukturalisten geprägten 90er Jahren ganz plausibel. Man denke z.B. an die philosophischen Setzungen der Différance oder Dekonstruktion, die eben keine Philosophischen Richtungen sind, sondern eher Methoden, die sich zum Teil auf die Philosophie selbst, die Grenzen ihrer Gültigkeit und die Bedingungen ihrer eigenen Praxis beziehen. "Neither a word, nor a concept"[DER], Derridas Verneinung passt auch auf die Service Art. Um dies zu erklären, müssen wir zurück in die 90er Jahre - und die beginnen mit dem Ende der 80er.
Gegen Ende der 80er Jahre war die Lage ebenso heterogen wie unübersichtlich. Es gab unterschiedliche Trends wie z.B. Fotografie (man denke an die Bechers oder Thomas Ruff), Konzeptualismus der 2. Generation wie bei Cindy Sherman und Louise Lawler - und natürlich Malerei, seien es Positionen des Neo Geo oder der neuen Wilden. Bei aller Verschiedenheit gab es jedoch auch Gemeinsamkeiten.
Zunächst pflegte man einen objektzentrierten Zugang zur Kunst, im Mittelpunkt des künstlerischen Schaffens stand das Werk: ein Gemälde, eine Fotografie, eine Installation. Zwar hatten Künstler wie Lawrence Weiner schon viel früher einen Frontalangriff gegen das Werk durchgeführt, aber letztlich wurde der Werksbegriff durch die Erweiterungen seiner Gültigkeit eher noch gestärkt.
Eine weiteres verbindendes Element der Kunst der späten 80er Jahre war die unangetastete Autorschaft der künstlerischen Vaterfigur. Der Künstler stand für sein Werk. Heute wird gelegentlich Martin Kippenberger als vorerst letztes Beispiel für einen Vollblutkünstler klassisch-genialer Prägung angesehen. Bei seinem Tode befürchtete man daher, daß die Aufmerksamkeit für sein Werk nun schwinden könnte - allerdings war das Gegenteil der Fall.
Die dritte Gemeinsamkeit bezieht sich auf eine klare Trennung zwischen Künstler und Betrachter. Der Künstler trat in dem Kommunikationsprozess mit den Betrachtern mit einem fertigen Werk und Endgültigkeitsanspruch an. Die Rolle des Betrachters war auf die des Rezipienten beschränkt. Zwischen ihm und dem Werk steht noch die 'Vermittlung' und vervollständigt das künstlerisch-semiotische Dreieck. Diese drei Eckpunkte überlappten sich nicht, denn sie waren (und sind es heute z. Teil wieder) durch institutionelle Vorgaben sowie das Selbstverständnis der Künstler und Betrachter klar voneinander getrennt.
Und während mit dem Übergang in die 90er Jahre diese Verschiedenheiten und damit die Vielfalt der Kunst größtenteils erhalten blieben, zeigten die Gemeinsamkeiten Abnutzungserscheinungen. Zunächst beobachtete man an Stelle der Werke oder Objekte immer mehr zeitlich begrenzte PROJEKTE und Aktionen, die nur in einem bestimmten, teils äußerst eng umrissenen räumlichen oder zeitlichen Kontext existierten und die zum Teil überhaupt keine dauerhaften Kunstobjekte im herkömmlichen Sinne abwarfen. Der Begriff der Installation wurde immer ausgefeilter interpretiert[INS], vor allem die Ortsbezogenheit wurde immer wichtiger. "To remove the work is to destroy the work" hatte Robert Barry schon 10 Jahre früher formuliert, was aber damals noch ein formales Manifest war, wurde nun immer selbstverständlicher. Zuvor waren Künstler üblicherweise zu einer Ausstellung eingeladen worden, weil man wusste, dass sie zum Ausstellungsthema passende Werke produziert hatten. Die Arbeit des Künstlers beschränkte sich also auf die Anfertigung von Werken und die Hoffnung auf Nachfrage von Sammlern und Institutionen. Rein betriebswirtschaftlich war er also gewissermaßen ein Teil der produzierenden Industrie, oder gegebenenfalls des Handwerks. Hier zeigt sich ein wichtiger Vorteil von objektzentrierter Kunst. Kunstobjekte konnten im allgemeinen im Voraus angefertigt werden, denn ihre Beschaffenheit war von einer konkreten Ausstellungs- oder Verkaufssituation unabhängig. Die Kunst ging ihrer institutionellen Präsentation und damit meist der ökonomischen Nutzung voraus. Ebenso war die Kunst ortsunabhängig - man konnte sie lagern; und eine generelle Verkäuflichkeit vorausgesetzt bildete sie für den Künstler einen relativ zeitbeständigen Wert mit weitentferntem Verfallsdatum. Zwar gab es schon in den 70er Jahren ortsspezifische Kunst, aber sie bildete eher die Ausnahme als die Regel und untersuchte andere Fragestellungen.
Anfang der 90er begannen Kuratoren wie Künstler in einem komplizierten Wechselspiel die Verhältnisse umzudrehen[KUR]. Von institutioneller Seite wurde Ausstellungen zunehmend derart konzipiert, dass der potentiell teilnehmende Künstler gezwungen war, ein speziell für diesen Anlass angefertigtes Werk herzustellen, welches dann auch noch nach der Ausstellung gewissermaßen unbrauchbar wurde - entweder, weil es ohne den Gesamtkontext der Ausstellung seinen Sinn verlor oder es rein technisch gar nicht an einen anderen Ort transferiert werden konnte. Dies kann z.B. durch Ausschreibungen für temporäre Projekte im öffentlichen Raum geschehen, die es erforderlich machen, auf sehr spezifische räumliche Gegebenheiten zu reagieren, aber auch durch klassische Ausstellungen, die thematisch sehr stark fokussiert sind.
Doch auch die Künstler selbst trugen zu dieser Entwicklung bei, indem sie auf formaler Ebene das schufen, was man heute z.B. Service Art nennt. Die Entwicklung lag also in der Luft und stellte die Kunstschaffenden nicht nur vor künstlerische, sondern auch vor ganz prakische, organisatorische und wirtschaftliche Probleme. Von der Kunst als Ware wendete man sich ab, der Kunst als Dienstleistung zu.
Auch der Begriff der Autorschaft erfuhr eine Wandlung. Er wurde von der Künstlerpersönlichkeit hin zur Künstlergruppe verschoben, teils war gar nicht bekannt, wer sich hinter einer Gruppe verbarg, oder die Mitglieder wechselten gelegentlich. Gleichzeitig bedingten und verstärkten sich diese Entwicklungen zusammen mit der Neudefinition des Werkbegriffs, denn Projekte führt man meist im Team durch, und Werke in Form von Kunstobjekten brächten für Gruppen komplizierte Eigentumsverhältnisse und möglicherweise größeren organisatorischen Aufwand mit sich.
Natürlich waren die meisten Künstler weiterhin alleine tätig, wenn es um ihr künstlerische Produktion ging. Die Bildung von Gruppen bezieht sich nicht nur auf klassische Künstlergruppen, sondern auch auf Sekundäre Strukturen wie Communities oder Produzentengalerien, was aber letzlich in Bezug auf die Zusammenarbeit auf dasselbe hinauslief.
Als drittes wurde auch die Rolle des Kunstbetrachters emanzipiert, er wurde vom reinen Konsumenten zum aktiven Teilnehmer befördert - oder zumindest wurde dieser Eindruck erweckt. Waren vorher Kunstwerke zur reinen Betrachtung gedacht - "Bitte nichts anfassen!" - so gab es nun zum einen in vielen Ausstellungen Elemente, die der Betrachter aktiv benutzen konnte. Es wurden Bücher gelesen, Knöpfe an Apparaturen gedrückt, Zettel beschrieben, Mappen durchblättert, Diskussionen geführt. Die Prozesshaftigkeit der Kunst war nichts neues [WA1], aber bisher wurde dieser Prozess im wesentlichen vom Künstler ausgeführt, nicht vom Betrachter.
Zum zweiten wurde die Rolle des Betrachters auch dann neu definiert, wenn der Künstler zwar selbst in Aktion trat, den Betrachter jedoch dadurch in eine ungewohnte Rolle brachte. Künstler traten als DJ in Aktion [STA] und der Betrachter wurde zum Zuhörer; sie kochten und der Kunstkritiker wurde zum Restauranttester. Dies kann man so betrachten als würde der Künstler in verschiedene Berufe hineinschlüpfen, was letztlich den Begriff Service Art, also Dienstleisungskunst hervorbrachte.
Dorothea Strauss berichtet [STR] von ihren Erfahrungen in den 90er Jahren:
"Damals gab es keine Ausstellung ohne Bar, ohne Autowerkstatt oder ohne Wohnwagen, keine Ausstellung ohne Schlafen im Museum, ohne Nähen von Taschen oder Kleidern usw. Heute hat sich das wieder erwas verschoben."
1994 konzipierten Andrea Fraser und Helmut Draxler die Ausstellung "Services: Conditions and Relations of Project Oriented Artistic Practice"[FR0]. Dazu erschien ein programmatischer Text[FR1], der es wert ist, näher betrachtet zu werden.
Beim Versuch, den Begriff "Project Work" zu definieren stellt Fraser zunächst fest, dass dieser irgendwie mit Aktivismus, politischer Dokumentation, Ortsbezogenheit, öffentlichem Raum und natürlich Institutionskritik, ihrem Hauptarbeitsgebiet, zu tun hat. Als einzige Gemeinsamkeit dieser Themen benennt sie die oben beschriebene Abwendung vom Kunstobjekt zur Dienstleistung. Neben den schon genannten Beispielen für solche Dienstleistungkunst erwähnt sie noch
"...interpretation or analysis of sites and situations in (...) institutions"
und
"advocacy and other community based work (...) and the creation of alternative structures."
Der zentrale Punkt für Fraser ist letztlich weniger ein formaler, sondern, und dies stellt einen Wendepunkt in der Debatte dar, ein ganz anderes verbindendes Moment. 'Service provision' beziehe sich auf die ökonomischen und sozialen Bedingungen, unter denen diese Kunst ausgeführt wird[FR2]. Diese Bedingungen ergeben sich aus den dargestellten Entwicklungen beinahe zwangläufig.
Wollte man als Künstler an einem stark themen- oder raumspezifischen Projekt teilnehmen musste man in Vorleistung gehen und mindestens ein überzeugendes Konzept erarbeiten, um sich überhaupt für eine geplante Ausstellung ins Spiel zu bringen. Um bei einer Ausschreibung etwas überzeugendes einreichen zu können musste man zumindest Teilergebnisse seiner geplanten Arbeit bereits realisiert haben - ein zeitlicher und finanzieller Aufwand für, bei Ablehnung der Arbeit, keinen Gegenwert. Da sich aufwendige Installationen, insbesondere wenn sie durch einen temporären Bezug schnell ihre Relevanz einbüßen, sich nur schwer verkaufen lassen, entstand für die Künstler ein weiteres Problem. Sie mussten, selbst wenn sie an einer Ausstellung teilnehmen durften, ein leichter verkäufliches Parallelprogramm entwickeln, z.B. Zeichnungen, Entwürfe oder Fotos. Dies bedeutete mindestens zusätzlichen Zeitaufwand.
Weiterhin wurde häufig erwartet, daß die Künstler Arbeit verrichteten, die früher in der Verantwortung der Institutionen lagen, z.B. Plakate und Flyer entwerfen, Werbung und Pressearbeit zu machen oder Drittmittel einzuwerben. Kunstproduktion und Kunstvermarktung führten zu immer mehr Abstimmungs- und Organisationsbedarf in unterschiedlichen Gruppenstrukturen - und damit zu immer mehr Aufwand. Wer sich an diesen Arbeiten nicht beteiligt riskiert nicht mehr angefragt zu werden.
Inhaltlich wollten Andrea Fraser und Helmut Draxler diese Problematik mit ihrern Kollegen thematisieren, ein Forum für die Debatte liefern und auf ein Manifest oder einen Verhaltenskodex hinarbeiten. Hierbei stand nach Frasers Aussage die 'Art Workers Coalition' aus den 70er Jahren in New York Pate, die einen beinahe gewerkschaftlichen Charakter hatte.
Frasers künstlerische Stoßrichtung war es, auch formal die damit problematisierten Mittel anzuwenden. Die Ausstellung (im Kunstraum Lüneburg) behandelte also Project Work und war gleichzeitig selbst Project Work. Das Konzept sah ein Treffen und eine Diskussion interessierter Kulturschaffender vor, ferner eine Installation und ein Archiv. Diese Treffen sollten periodisch stattfinden. Zu den sonstigen Öffnungszeiten konnten Ausstellungsbesucher sich an den dort belassenen Tisch setzen und die ausliegenden Lesematerialien studieren.
Fraser räumt selbst ein, dass eine derartige Ausstellung Anforderungen an die Besucher stellt, die das normale Museumspublikum nicht erfüllen kann. Ihre Lösung dafür ist, derartige Projekte nur in 'angemessenen' Institutionen durchzuführen - das zugrundeliegende elitäre Problem ist aber natürlich offensichtlich.
'Services' fand also statt und wurde noch an anderen Ausstellungsorten durchgeführt. Die damit verbundenen programmatischen Hoffnungen erfüllten sich jedoch nicht. Eine Organisation wurde nicht gegründet, auch gab es keine regelmäßigen Treffen. Statt des Inhaltes eines geplanten Künstlervertrags lehren die Kunsthochschulen heute lieber das Ausfüllen des Hartz4-Antrags. Fraser hat den Erfolg selbst sogar noch stärker eingeschränkt[FR0].
Es ist natürlich nicht möglich, die vermutlich vielfältigen Gründe für das Scheitern - wenn man es denn als solches betrachten will - aufzudecken. Eine Ausstellung wie 'Services' hat natürlich für Fraser und die anderen beteiligten Kulturschaffenden vermutlich wesentlich weniger finanzielles Potential gehabt als jede ihrer anderen Arbeiten, und so wurden die Künstler vielleicht vom Tagesgeschäft eingeholt. Es mag auch daran gelegen haben, dass eine Künstlergewerkschaft ungefähr so stimmig klingt wie ein Einsiedlerkongress.
Weiterhin kann man sich fragen, warum die Institutionen solche Projekte unterstützen sollten. Gewerkschaften werden von den Arbeitgebern üblicherweise maximal geduldet, aber nicht unbedingt begeistert gefördert. Wenn also Fraser in ihrem Manifest die "analysis of situations in institutions" androht, dann riecht das eher nach Ärger als nach einer Ausstellung, mit der eine Institution sich später schmücken kann. Dasselbe gilt für "the creation of alternative structures". Je mächtiger eine Institution im Betrieb ist, desto weniger Interesse wird sie an Alternativen, gleich welcher Art, haben.
Wenn heute institutionskritische Werke bis hin zur (nach Frasers Zählweise[IN1]) dritten Generation museal geworden sind ist dies natürlich nur ein Hinweis ihrer Wirkungslosigkeit und der Assimilation durch den Kunstbetrieb.
Nachhaltig hingegen war 'Services' vor allem als Werk von Andrea Fraser. Es greift die - von manchen beim Entstehungszeitpunkt als diffus empfundene - Entwicklung der Kunst anfang der 90er Jahre auf und destilliert, filtert, verdichtet sie auf einen Punkt. Die funktionale Herangehensweise schützt das Projekt vor dem kritischen Label der 'Eventkultur', das in vielen anderen Fällen berechtigt sein mag. Grade in ihrer Wirkungslosigkeit und in ihrem Scheitern liegt rückblickend die Stärke von 'Services', denn dadurch wird die Schwierigkeit des inhaltlichen Unterfangens sehr deutlich, ohne die formale Wirkung zu beeinträchtigen.
Eine besondere Bedeutung von „Services“ liegt darin, dass der prozesshafte Charakter der Ausstellung zu einer inhaltlichen Arbeit genutzt wurde, wie sie bisher nicht der Kunst zugerechnet wurde. Damit entwickelte sich ein Produktionsmodus für Künstler, der mehr als eine rein formale oder stilistische Ergänzung darstellte – etwas, was beim DJ und der Autowerkstatt nicht so deutlich der Fall war. Projekte wie „Services“ erweiterten den Kunstbegriff Jahrzehnte nach Duchamps 'Fountain' um Kunst'Werke', die auch in ihrer Kontextualisierung kaum mehr von der realen Welt zu unterscheiden sind. Sie verweisen lediglich referentiell[UNB] auf Kunst.
Andrea Fraser blieb in ihrer weiteren Arbeit der Institutionskritik bzw. Kontextkunst treu, trat aber zu diesem speziellen Thema nicht mehr in Erscheinung.
Allgemein ist heute nach Ansicht vieler Kuratoren der Zenit dieser Experimentierphase überschritten. Dennoch ist die Möglichkeit, projektorientiert und prozesshaft zu arbeiten, in den allgemein akzeptierten Fundus der Kunststile übernommen worden. Kaum jemand kann noch damit überrascht werden, wenn Künstler als Teil ihrer Arbeit Gegenstände sammeln, Tiere beobachten oder Flugblätter verteilen, auch wenn es noch nicht so weit ist, dass Project Work zusammen mit Acrylmalerei an Volkshochschulen gelehrt wird. Gelegentlich drängt sich jedoch die Frage auf, ob in manchen Arbeiten nicht nur eine formale Ästhetik bedient wird, die dabei aber weder hinterfragt noch weiterentwickelt wird. Da der Reiz des Neuen verschwunden ist, liegt das Interesse bezüglich der Projektarbeit heute eher bei Künstlern, die diesen Begriff differenzierter und ausgefeilter untersuchen.
Eine zweite Entwicklung betrifft Kuratoren und Institutionen. Es ist mittlerweile gängige Praxis, zu einer Ausstellung ein umfangreiches Rahmenprogramm anzubieten. Lesungen, Vorträge, Ausflüge, Performances gehören erweitern das Angebot rund um ein Ausstellungsprojekt. Die Institutionen haben sich also Teile dieser künstlerischen Entwicklungsphase gewissermaßen angeeignet. Die Umsetzung, und damit auch der Hauptaufwand, liegt aber weiterhin oftmals bei den Künstlern.
[WAL] z.B. F.E. Walther, Joseph Beuys, Gordon Matta-Clark
[BAR] Robert Barry in Rose A. 1969, S. 22.
[DER] "Différance," Margins of Philosophy, 7.
[STA] Raimar Stange, Zurück in die Kunst. Rogner und Bernhard Verlag, Hamburg 2001
[KF1] Das neue Ausstellen. Kunstforum international, Bd.186
[INS] Juliane Rebentisch, Ästhetik der Installation, Suhrkamp 2008
[KUR] Damit einher geht eine Wandlung der Rolle des Kurators, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll.
[STR] Dorothea Strauss, Dialog über das neue Ausstellen, Kunstforum international, Bd.186
[FR0] A. Fraser, SERVICES. EINE ARBEITSGRUPPEN-AUSSTELLUNG
[FR1] Andrea Fraser, How to Provide an Artistic Service: An Introduction Ursprünglich in Wien als Rede gehalten.
[IN1] Vermutlich so gezählt: 1. Minimal & conceptual art, 2. Haacke/Broodthaers/Buren, 3. Fraser
[FR2] Die etwas akademische Unterscheidung zwischen 'service provision' als die benötigte Arbeistleistung für 'Project Work' ist hier nicht so entscheidend. How to Provide an Artistic Service: An Introduction
[UNB] Pascal Unbehaun, Referentielle Kunst.
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